Korea-Jahr 2005: So fern, so nah – Korea
Im Korea-Jahr 2005 ergriff ich die Gelegenheit, eine Ausstellung direkt am Pergamon-Museum in Berlin zu zeigen.
Das leere Blatt ist ein Extrakt aus einem Traum. Es ist für mich Hoffnung und Aufforderung zugleich: Während Deutschland seit 20 Jahren immer wieder seine Wiedervereinigung bestaunt und feiert,
die Geschichte dahin und danach verarbeitet und in einem intensiven Prozess der Weiterentwicklung in Europa und in der Welt steht, scheint die Geschichte im Raum Nord- und Südkorea zu einem
atemlosen Stillstand gekommen zu sein. Wer guckt hin? Die Geschichte der beiden Länder so sehr unterschiedlich – aber das Leid von Menschen ist gleich.
Der Esstisch
Selbst ein Tropfen Tau ist Wein:
Wasser, das, in ein Gefäß gefüllt, entflammt.
Und Gefäße –
zahllos reihen sie sich auf der irdischen Tafel,
so dass dem Gott fast schwindlig wird,
als er die Deckel öffnet und die Essstäbchen ansetzen will.
Siehe, die glühenden Kochtöpfe,
wie sie beben vor Hitze!
Wahrlich,
eine herrlich gedeckte Festtafel ist die Welt.
Träumendes Weltall
fiebertrunkerer Gefäße.
Träumerischer Festschmaus
fiebertrunkener Gefäße.
OH Sae-young
Gefäß-Zyklus 19
Fenster zum Süden
Ich werde ein Fenster zum Süden haben,
ein Stück Erde, um es zu hacken und zu graben.
Von den Wolken werde ich mich nicht locken lassen,
Vogelgesang genießen.
Wenn das Korn reif ist,
komm, und teile es an meinem Tisch.
Wenn mich jemand fragt, warum ich lebe,
lächle ich nur.
Sang-Yong Kim
In der koreanischen Kultur gibt es das Trauerbuch für verstorbene Könige. Ihr Leben und ihre Taten wurden in Jadeplatten eingraviert.
Als Gegenstück dazu ist hier das Sonnenscheinbuch zu sehen. Der Name stammt von der sogenannten Sonnenscheinpolitik des ehemaligen Präsidenten Südkoreas, Kim Dae-Young, der damit einen Versuch machte, Entspannung zwischen den beiden Teilen Koreas einzuleiten. Dafür erhielt er den Friedensnobelpreis.
Auf insgesamt 14 Platten, die formal genau dem Trauerbuch nachgestaltet sind, befinden sich Gedichte von koreanischen Dichtern und Gedichte von Reiner Kunze im Wechsel.